Wie die Bergflora unter der weißen Decke überlebt
Im Sommer genießen Wanderer und Mountainbiker die wunderschöne Alpennatur. Die Blumen und Pflanzen sehen wunderschön aus und verleihen den Bergen ihr märchenhaftes Aussehen. Im Winter wird hauptsächlich Ski und Snowboard gefahren und niemand denkt an die verborgene Natur unter dem Schnee. Der Schnee ist vor allem sehr unterhaltsam, für manche Pflanzen aber auch lebenswichtig im rauen Bergklima. Die weiße Decke trägt zum märchenhaften Erscheinungsbild im Sommer bei. Neugierig, wie das funktioniert? Dann lesen Sie bitte weiter.
Pflanzen überleben durch ihre Spezialisierung
Die Pflanzen, die in den Bergen wachsen, mussten sich an ein raues Klima anpassen. Die Bedingungen können sehr unterschiedlich sein und jeder Standort zieht seine eigenen Pflanzen an. Je höher man kommt, desto schwieriger wird es für Pflanzen und Bäume, zu gedeihen. Dort oben ist die Temperatur niedriger, die Vegetationsperiode ist wegen des Schnees sehr kurz, der Wind ist stärker und es gibt weniger Sauerstoff. Aus diesem Grund sieht man ab einer bestimmten Grenze keine Bäume mehr, weil sie dort nicht überleben können. Oberhalb der Waldgrenze in den Alpen verändert sich die Vegetation in Sträucher und schließlich in immer kleinere Pflanzen. In sehr großen Höhen bleiben letztlich nur noch Flechten übrig, die wahre Überlebenskünstler sind.
In den Bergen finden Sie sehr abwechslungsreiche Oberflächen; steinige Böden, die wenig Wasser speichern, feuchte Sümpfe, Waldböden und Graswiesen, die alle eine eigene Flora mit ihren eigenen Spezialitäten anziehen. Das allein macht die alpine Natur schon zu etwas ganz Besonderem.
Die isolierende Wirkung des Schnees
Frisch gefallener Schnee ist sehr luftig. Das liegt an der Form der losen Schneekristalle, von denen jedes einzelne sechseckig ist. Wussten Sie übrigens, dass jeder Schneekristall einzigartig ist? Keiner gleicht dem anderen. Die Form der Kristalle mit ihren zahlreichen Vorsprüngen führt dazu, dass sie locker aufeinander fallen und zwischen ihnen Luft eingeschlossen ist. Pulverschnee besteht sogar zu 95 % aus Luft. Mit zunehmender Schichtdicke brechen die hervorstehenden Teile ab und der Schnee wird kompakter, doch solange er nicht zu einer Eisschicht wird, bleibt Luft zwischen ihnen eingeschlossen. Luft ist ein guter Isolator. Es hat eine geringe Wärmeleitfähigkeit, was bedeutet, dass die Luft im Schnee die Wärme nur schwer ableiten kann. Dadurch geht die Wärme aus dem Boden nicht an die Luft über dem Schnee verloren und die Kälte von oben dringt nicht bis zum Boden vor. Bei -20°C Außentemperatur sind es unter 50 cm Schnee immer noch 1,6°C. Dadurch wird verhindert, dass der Boden unter dem Schnee schnell gefriert.
Sonnige Südhänge für eine längere Blütezeit
Mehr als die Hälfte des Jahres liegt in den Bergen Schnee. Auf 1000 Metern über dem Meeresspiegel sind dies in einem normalen Winter etwa 3 bis 4 Monate mit maximalen Schneehöhen von 2 Metern, auf 2000 Metern jedoch bereits 6 bis 7 Monate mit Schneehöhen von bis zu 5 Metern. Dabei handelt es sich um einen langen Zeitraum, in dem das Wachstum und die Blüte der Pflanzen weitgehend zum Stillstand kommen. Blühende Pflanzen benötigen zur Blüte und Fortpflanzung eine schneefreie Periode von mindestens zwei Monaten. Daher sind sonnige Südhänge ideal für diese Pflanzen. Hier schmilzt der Schnee zuerst, was für eine längere Blütezeit sorgt.
Frostempfindliche Pflanzen bevorzugen eine längere Schneeperiode
Der Nachteil der sonnigen Südhänge: Wenn es im Frühjahr früh wärmer wird und plötzlich eine Frostperiode folgt, ist die isolierende Schneeschicht bereits verschwunden. Frostempfindliche Pflanzen wie die Alpenrose sind daher hier eher nicht zu finden. Frostempfindliche Pflanzen bevorzugen Nordhänge, erodierte Mulden und Moränenfelder, wo die Sonne nur schwer hinkommt und der Schnee deshalb länger liegen bleibt. Ein Nachteil besteht darin, dass auch die Wachstums- und Blütezeit kürzer ist. Wer genau hinschaut, erkennt, dass an solchen Stellen häufig die bekannten Alpenrosen zu finden sind. Sie haben frostempfindliche, immergrüne Blätter und sind in den feuchten und milden Bergwäldern Chinas heimisch. Frost gibt es dort im Frühjahr selten, die Pflanzen mussten sich also nicht daran anpassen.
Andere Pflanzen die versuchen Frost zu vermeiden, sind die Heidelbeere (Vaccinium myrtillus), die Alpen-Rauschbeere (Vaccinium uliginosum), die Preiselbeere (Vaccinium vitis-idaea) und die Krähenbeere (Empetrum). Die heideähnlichen Pflanzen bevorzugen einen halbschattigen Standort mit ausreichend Schneeschutz, sollten aber für ihr Wachstum und ihre Fruchtbildung nicht länger als 5 bis 6 Monate unter der weißen Decke stehen. Sie wachsen zwischen 1900 und 2400 Metern über dem Meeresspiegel und können köstliche Beeren hervorbringen.
Eine Blume in großer Höhe
Manche Pflanzen warten nicht bis der Schnee verschwindet. Die Blüte und damit die Fortpflanzungsfähigkeit zu gewährleisten, ist eine sehr wichtige Aufgabe, doch hoch oben in den Bergen bleibt dafür nur wenig Zeit. Die Zwerg-Soldanelle (Soldanella pusilla) wächst auf einer Höhe von 3100 Metern und hat daher eine extrem kurze Wachstumsperiode. Aus diesem Grund beginnt sie unter dem Schnee mit den Vorbereitungen. Bis zu 20 cm unter der Schneedecke kann sie die Energie der Sonne nutzen, um zu wachsen und sich auf die Blüte vorzubereiten. Diese Blume ist dafür bekannt, dass ihr Blütenkopf über die Schneedecke hinausragt, bevor diese vollständig verschwunden ist. Deshalb wird diese Pflanze auch Eisglöckchen genannt.
Schnee in den Alpen macht also nicht nur Spaß, sondern ist auch sehr nützlich für die Alpenflora. Durch seine isolierende Wirkung sorgt es dafür, dass besonders empfindliche Pflanzen den Winter überstehen und kann mit Fug und Recht als weiße ‘Decke’ bezeichnet werden. So können wir uns im Sommer wieder an all der schönen Blütenpracht erfreuen. Wenn Sie also im Wintersporturlaub in den Alpen sind, denken Sie an die Blumen und Pflanzen die bei der Abfahrt gut geschützt unter Ihren Füßen leben.
Sie möchten mehr über die Natur der Alpen erfahren? Dann lesen Sie auch unseren Artikel zum Thema Frühling in den Alpen oder zum Alpensteinbock.